Artenreichtum zahlt sich aus

Produktivität auf Wiesen und Weiden wächst mit der Florenvielfalt

Eine artenreiche Flora auf Wiesen und Weiden ist nicht nur im Sinne von Naturschützern, sondern bringt auch den Land- wirten Vorteile. Sie ist erheblich produktiver und schützt darüber hinaus vor allzu starker Nitratbelastung im Boden. Das sind die wichtigsten Ergebnisse des bislang größten europäischen Forschungsprojektes zur Bedeutung der Biodiversität in Graslandschaften (Biodepth). Mehrere Arbeitsgruppen in acht europäischen Ländern haben sich daran beteiligt. Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt fast 500 Versuchsfelder, die geographisch auf zwei sich kreuzenden Linien von Irland bis Griechenland und von Schweden bis Portugal angelegt worden waren.

In Deutschland leitete Ernst-Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena die Arbeiten. Die Gruppen präparierten jeweils fünf Versuchsflächen mit für den Standort charakteristischen Pflanzenarten, aber mit unterschiedlich großer Artenvielfalt. Es zeigte sich, dass die Biodiversität schon im zweiten Jahr beträchtliche Auswirkungen auf das Wachstum der Gräser und Kräuter hat. Die meiste Biomasse legten in allen acht Ländern stets jene Grünflächen zu, auf denen die meisten Arten wuchsen. Die Wissenschaftler, die über ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Science (Bd. 286, S. 1123) berichteten, haben sogar eine nahezu lineare Beziehung gefunden: Eine Halbierung der Artenvielfalt führte zu einem durchschnittlichen Verlust an Biomasse um rund 80 Gramm pro Quadratmeter - eine Differenz, die offenbar für ganz Europa gültig ist. In Griechenland, wo wegen der extremen Bedingungen weniger als halb so viel Biomasse gedeiht, ist der Effekt der gleiche wie in Deutschland, wo rund 80 Gramm Biomasse pro Quadratmeter gemessen wurden.

Freilich ist nicht allein die Zahl an unterschiedlichen Pflanzen entscheidend. Einige Pflanzen beeinflussen die Produktivität mehr als andere - eine Beobachtung, die man zwar schon "her bei kleineren Projekten gemacht hat. Wie die europäischen Grünlandversuche zeigen, ist der Kreis der für die Produktivität bedeutsamen Pflanzen aber keineswegs auf wenige Arten beschränkt. Von den insgesamt 71 untersuchten Arten beeinflussten nicht weniger als 29 das Ergebnis. Lediglich der besonders häufig auftretende Rotklee, Trifolium pratense, hat für die Produktivität eine besondere Funktion. Wo er vorkommt, fallen auf ihn oft mehr als die Hälfte der Biomasse.

Wichtig für ein gutes Gedeihen der Graslandschaften ist offenbar die richtige Mischung. Legumiosen wie der Klee, der Luftstickstoff bindet, und Kräuter spielen eine ebenso große Rolle wie einfache, schnell wachsende Gräser. Die Forscher vermuten, dass sich die Gewächse auf artenreichen Flächen mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften ideal ergänzen. Sie nutzen die Nährstoffe im Boden offensichtlich viel besser aus als Monokulturen, in deren Sickerwasser europaweit häufig erhöhte Nitratwerte zu finden sind.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung,  29. September 99

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