Der Biolandbau

Kartoffelfäule schmälert Ernten / Änderungen im Anbau nötig / „Ausstieg“ von Tiroler Biobauern

Der ökologische Landbau genießt derzeit ein großes Interesse. Geschlossene Betriebskreisläufe und die strengen Richtlinien des Biolandbaus werden oft als Königsweg zur Bewältigung der gegenwärtigen Agrarkrise diskutiert. Doch auch der Biolandbau ist nicht frei von Sorgen. Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und synthetische Dünger wirkt sich zwar in manchen Bereichen vorteilhaft aus, dafür müssen die Biobauern aber mit anderen Schwierigkeiten kämpfen. Das wurde in der vergangenen Woche auf der sechsten Wissenschaftstagung zum Ökologischen Landbau an der Technischen Universität München in Freising-Weihenstephan deutlich.

Erhebliche Schwierigkeiten bereitet den Ökobauern die Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule beispielsweise auf Kartoffeln. Verursacher ist der Pilz Phytophthora infestans. In Jahren mit einer starken Infektion können durch Phytophthora große Teile der Ernte im Ökolandbau vernichtet werden, so daß die Versorgung mit heimischen Ökokartoffeln gefährdet wird. Im 19. Jahrhundert verursachte der gleiche Pilz die große Hungersnot in Irland. Während der Erreger heutzutage im konventionellen Landbau durch entsprechende synthetische Pflanzenschutzmittel in Schach gehalten werden kann, wurden im ökologischen Landbau lange Zeit Kupferpräparate verwendet. Kupfer wirkt dabei zwar recht gut gegen die Ausbreitung des Pilzes, es reichert sich aber langfristig im Boden an. Von Februar 2002 an dürfen deshalb keine Kupferpräparate mehr verwendet werden. Heidi Beuermann und Maria Finckh von der Universität Kassel stellen in Weihenstephan Ergebnisse vor, die zeigen, daß die Kraut- und Knollenfäule durch eine Kombination von gezielter Sortenwahl und durch die richtige Anlage des Feldes verhindert werden kann. Wenn man die Parzellen windgeschützt anlegt, sind die Pflanzen erheblich weniger stark befallen.

Der Agrarforscher Herwart Böhm von der Universität Kiel zeigte, daß selbst auf den oft gemiedenen lehmigen Böden ein Kartoffelanbau unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus praktikabel ist. Voraussetzung dafür ist, daß über Winter Zwischenfrüchte angebaut werden, die die Bodenstruktur verbessern. Die höchsten Erträge sind in den Kieler Untersuchungen erzielt worden, wenn der Boden bereits im Herbst von Steinen getrennt wurde und Ölrettich oder Senf als Zwischenfrüchte gesät wurden.

Der Anbau solcher Zwischenfrüchte verringert zudem die Auswaschung von Stickstoff ins Grund- und Trinkwasser. Das zeigen Untersuchungen, die Hans Jürgen Reents von der Technischen Universität München vorgestellt hat. Alle Arten aus der Familie der Kreuzblütler oder auch Roggen können im Herbst beträchtliche Mengen an Stickstoff aufnehmen. Werden dagegen Leguminosen wie Erbsen, Wicken oder Perserklee angebaut, steigen die Nitratgehalte beträchtlich an.

Während der Ökolandbau den Schutz der Gewässer voranbringe, gibt es nach Meinung von Andreas Bosshard von der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach/Schweiz durchaus noch Defizite beim Schutz der biologischen und landschaftlichen Vielfalt. Der Biolandbau werde in diesen Bereichen zunehmend von der konventionellen Landwirtschaft überholt. Es sei falsch zu glauben, daß durch den Schutz der Gewässer und des Bodens auch die Biodiversität und die Landschaftsökologie ausreichend berücksichtigt würden.

In den Alpenländern Österreich und Schweiz wurden in der Vergangenheit bereits viele Betriebe auf den Ökolandbau umgestellt. Inzwischen wächst aber vor allem aus wirtschaftlichen Gründen die Unzufriedenheit vieler Biobauern. Darüber berichtete Markus Schermer vom Institut für Hochgebirgsforschung und Alpenländische Land- und Forstwirtschaft der Universität Innsbruck.

Die Situation im Bundesland Tirol ist dabei für die ökologische Landwirtschaft besonders aufschlußreich. Nachdem man dort im Jahre 1995 die staatliche Förderung für die Ökolandwirtschaft eingeführt hatte, stellten nahezu 25 Prozent der Betriebe auf biologische Wirtschaftsweise um. Inzwischen sind allerdings schon wieder mehr als 700 Landwirte aus diesem Programm ausgestiegen. Schermer hat die Bauern nach den Gründen befragt.

Mehr als 70 Prozent der Landwirte gaben an, daß die angebotenen Fördermittel nicht ausreichend waren. Daneben gibt es aber Schwierigkeiten, die Produkte zu vermarkten. Zudem ist offenbar der bürokratische Aufwand, der bei der Kontrolle der Ökobetriebe üblich ist, nach Auskunft der Bauern zu groß.        

OLAF CHRISTEN

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.03.01

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