Ist das Erntedankfest noch zeitgemäß?
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Am Sonntag 30. September fand in Deutschland das Erntedankfest statt, der Tag, an dem Landwirtschaft und Kirchen für die eingebrachte Ernte danken. Was aber bedeutet das Erntedankfest den Landwirten eigentlich noch in Zeiten von BSE, Gentechnik und Massentierhaltung. Andreas Hain ist für uns diesen Fragen nachgegangen.

Lautes Trecker-Getöse gehört dazu. Es ist Erntezeit. Auch für den sauerländischen Landwirt Peter Steinhoff.

Bei uns auf dem Betrieb muss jetzt geerntet werden. Wir haben 3 ½ ha Fläche, auf der wir Silomais anbauen. Der ist nun silierreif und muss gehächselt werden. Der Mais steht noch auf dem Acker, der Kolben ist schon richtig hart - er ist halt reif.

Verschnaufpausen gibt es in diesen Tagen kaum. Die Futtersilos müssen gefüllt werden, damit sein Milchvieh in den nächsten Monaten versorgt ist. Doch wen kümmert es, dass sein Mais diesmal besonders gut ist. Die Kühe werden es kaum merken. - Trotzdem und gerade deshalb feiert er am Sonntag Erntedank.

Erntedank ist gerade in der heutigen Zeit wieder wichtig geworden, damit sich jeder Mensch auf sich besinnen kann und merkt, dass die Landwirtschaft den größten Teil dazu beiträgt, die Kultur zu erhalten. In diesem Sinne wollen wir auch auf uns aufmerksam machen, indem wir jetzt rausgehen und Erntedankgottesdienste machen.

Seit einigen Jahren engagiert er sich mit zusammen mit anderen sauerländischen Landwirten und gestaltet am Erntedank-Sonntag einen besonderen Gottesdienst. Mal findet er direkt auf einem Acker statt, diesmal in einer prächtig geschmückten Dorfkapelle. - Das bedeutet ihm mehr, als nur Danke zu sagen.

Sicher, da steckt mehr dahinter, ein "Danke, lieber Gott" auf jeden Fall auch. Nur mit Gott geht es aber auch nicht. Wir müssen die Natur pflegen. Das machen wir Landwirte eben, auf dass alle Mitmenschen eine astreine Natur haben, einen guten Lebensraum - Mensch und Tier.

Nicht überall in Deutschland wirken den Landwirte so aktiv am Erntedankfest mit, wie Peter Steinhoff. - Die Erntegaben auf dem Altar gehören aber auf jeden Fall dazu. Und wenn sie nur symbolischen Charakter haben. Herbert Scheckel ist evangelischer Pfarrer im südwestfälischen Hilchenbach bei Siegen. Auch auf seinen Altar kommen am Sonntag Früchte - einfach, um Bewußtsein zu schaffen.

Wenn die schönen Gaben da vorne liegen im Altarraum, dann kommt wieder das schöne Gefühl zurück: Ja! Dankeschön für den riesengroßen Kürbis, für den Sack Kartoffeln und für all das Gute, was dann da vorne liegt.

So banal diese Freude über schlichtes Gemüse am Erntedankfest sein mag - Im Alltag bleibt für so etwas kaum Zeit, meint Pfarrer Herbert Scheckel.

Wir leben nicht mehr so bewusst, wie das früher war. Wir sind nicht mehr so abhängig von der Schöpfung und davon, dass die Ernten gelingen, wie das früher einmal war. Heute ist das so: Wir gehen zum Aldi und da ist ganzjährig alles zu kriegen. Es ist alles so selbstverständlich geworden.

Erntedankfest im dritten Jahrtausend. Der große orange Kürbis ist da nur noch ein Mittel zum Zweck.

Wir leben in einer Gesellschaft mit Arbeitsteilung. Die einen, die machen das noch mit dem Aufziehen auf dem Feld und dem Gucken, dass die Ernte auch hinhaut. Und die anderen, die konsumieren. Die gehen einer anderen Arbeit nach, für die sie dann ihr Brötchen kriegen. Aber zwischen den beiden gibt es wenig Berührungspunkte. Und das ist schon ein Problem, dass wir die Arbeit des anderen nicht so sehr sehen und vielleicht nicht so sehr achten.

Und wenn Erntedank an diesem Punkt ansetzt und rüttelt, dann hat das Fest für Landwirt Peter Steinhoff seinen Sinn erfüllt.

Vermitteln möchten wir, mal die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Die Landwirtschaft nicht immer nur als negativ hinstellen. Die hat ja eh in letzter Zeit schon arg in den Schlagzeilen gestanden. Es tut jedem weh. Für uns geht es ums Überleben. Von daher möchten wir wirklich sagen, dass ohne Landwirte ein schönes Leben auf der Welt auch nicht möglich ist.

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