Syngenta will mit Stiftung Kritiker der Gentechnik beruhigen

Der Schweizer Agrochemie-Konzern sucht den Dialog zwischen Reichen und Armen / Von Konrad Mrusek
BASEL, 12. Oktober. Die Manager der Agrochemie-Konzerne müssen in der Öffentlichkeit einen Spagat vollführen. In Europa, vor allem in den deutschsprachigen Ländern, vermeiden sie möglichst das Wort Gentechnik, weil bisher nur wenige Konsumenten Gen-Nahrung auf dem Teller haben wollen. Außerhalb Europas jedoch ist man in der Wortwahl viel freier, nachdem vor kurzem selbst eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen einräumen mußte, daß die Gentechnik dabei helfen könne, die wachsende Weltbevölkerung zu sättigen. 1960 ernährte jeder Hektar Nutzfläche auf der Erde zwei Menschen, im Jahre 2025 wird man fünf Menschen versorgen müssen. Ohne biotechnische Methoden, so sagen Experten, werde das nicht möglich sein, weil zusätzlicher Dünger und neue Pflanzenschutz-Mittel nicht ausreichten und zusätzliche Böden die Regenwälder gefährlich schrumpfen ließen.

Geld für Kleinbauern in Afrika

Nachdem die Agrochemie erkannt hat, daß selbst mit guten Argumenten und mit pfiffigen Anzeigen die Ängste der Konsumenten vor genetisch modifizierter Nahrung nicht zu überwinden sind, weil fäulnisfreie Tomaten und schädlingsresistenter Mais in Europa keinen Appetit zu wecken vermögen, scheint man sich auf andere Methoden zu verlegen, um den öffentlichen Spagat zu erleichtern. So hat jetzt die Schweizer Syngenta AG in Basel als erster der weltweit führenden Agrochemie-Konzerne eine Stiftung gegründet. Syngenta entstand 1999 bei der Fusion der Agrochemie-Unternehmen von Novartis und Zeneca und erzielt einen Umsatz von umgerechnet 15 Milliarden DM.

Die Syngenta-Stiftung für Nachhaltige Landwirtschaft soll, ausgestattet mit einem Kapital von 4 Millionen Franken (5,2 Millionen DM), einerseits die Forschung fördern für eine ökologische Bewirtschaftung von Böden und zugleich Agrar-Projekte in Entwicklungsländern unterstützen. Zur Zeit gibt man Geld für drei Kleinbauern-Projekte in Afrika. "Solche Stiftungen sind keine cleveren Tarnanzüge für PR-Lautsprecher", sagte am Freitag Klaus M. Leisinger, der interimistische Geschäftsführer der Stiftung. Er möchte vielmehr eine Brücke des Dialogs schaffen zwischen der Industrie und ihren Kritikern aus den Nichtregierungsorganisationen (NGO). Vielleicht, so Leisinger unter Anspielung auf ein Wort des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, sei ja ein "Wandel durch Annäherung" möglich.

Die privaten Organisationen waren nicht gerade begeistert darüber, daß jüngst das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in seinem Bericht über die menschliche Entwicklung die Gentechnik als Hilfe zur Überwindung des Hungers bezeichnete. Die Zahl der unterernährten Menschen hat sich zwar in den vergangenen zehn Jahren um 40 Millionen verringert, doch es gibt weiterhin krasse regionale Unterschiede. Im Durchschnitt hungert etwa jeder achte Mensch, und 150 Millionen Kinder unter fünf Jahren, vor allem in Südostasien und Afrika, leiden unter einem die Gesundheit gefährdenden Untergewicht. Diese globale Herausforderung droht künftig noch größer zu werden, weil die Weltbevölkerung bis zum Jahre 2025 um ein Drittel auf etwa 8 Milliarden Menschen wächst. Das dürfte zu einer Verdoppelung des Kalorienbedarfs führen.

Umweltorganisationen wie etwa Greenpeace und auch Dritte-Welt-Gruppen werfen den Agrochemie-Konzernen Monsanto, Aventis und Syngenta vor, den Hunger als Argument für die Durchsetzung der Gentechnik zu mißbrauchen. Für sie ist grüne Biotechnologie keine Lösung, sondern nur Stimmungsmache, um mit Patentschutz auf genetisch modifiziertem Saatgut die Nahrungsproduktion dereinst monopolisieren zu können. Fast alle NGOs , so beklagte sich Leisinger, stünden der Gentechnik entweder kritisch gegenüber oder lehnten diese völlig ab. Einige Organisationen argumentieren, der Hunger auf der Welt sei kein Mengenproblem, sondern eines der gerechten Verteilung der Nahrungsmittel. Andere sehen in der Globalisierung der Wirtschaft die wichtigste Ursache für Armut und Hunger. Denn diese diene lediglich den Interessen von "Multis und Finanzmarkt-Haien". Leisinger sagte, den Armen nützten die Debatten der Reichen nichts, ob der Hunger nun ökonomische, soziale oder agrartechnische Gründe habe. Nach seiner Ansicht muß man neben politischen und ökonomischen Reformen in den armen Ländern auch die Produktivität der Bauern erhöhen. Dazu wolle die Stiftung beitragen.

Keine Alternative für Herbizide

Der Forschungsleiter des Syngenta-Konzerns, David A. Evans, sieht ähnlich wie andere Experten heute nur noch eine Möglichkeit zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion: Man muß die Erträge je Hektar steigern, weil die landwirtschaftliche Nutzfläche kaum noch vergrößert werden kann. Selbst eine nachhaltig betriebene Agrarwirtschaft kann dabei nicht ohne chemische Pflanzenschutzmittel auskommen, weil es für Herbizide noch auf Jahrzehnte hinaus keine technische Alternative gibt. Evans glaubt indes, daß die Forscher sehr einfallsreich sein werden und die Menge der Herbizide stark verringern können. Eine Chemikalie gegen Unkräuter brauche künftig vermutlich nicht mehr als 550 Milligramm je Hektar. Um also ein Fußballfeld zu "behandeln", würde der zehnte Teil eines Zuckerwürfels genügen. Für die Minimierung und bessere Dosierung der Herbizide wollen die Syngenta-Forscher auch die Gentechnik verwenden. Sie erlaube es, so versicherte Evans, die Wirkung einer Chemikalie auf alle Gene einer Pflanze gleichzeitig zu studieren.

Auch bei der Verteilung der Chemikalien auf den Feldern versprach der Syngenta-Forscher Verbesserungen, da man mit einer neuen Methode der Mikroverkapselung die Bauern und die Natur vor den Giften besser schützen könne. Dabei wird die Chemikalie von einer Polymerhülle umgeben und somit "schrumpfverpackt". Die Dicke der Hülle bemißt sich auch danach, wie schnell der Wirkstoff auf dem Ackerboden freigesetzt werden soll.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2001

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