Fadenscheinig

Auf deutschen Feldern wird vor- erst kein gentechnisch veränderter Mais mehr keimen. Die Bundesgesundheitsministerin hat diesen Pflanzen in, der vergangenen Woche aus "Vorsorgegesichtspunkten" den Boden entzogen. Die Risiken für Mensch und Umwelt hätten eine neue Dimension erreicht, und weiteres Zuwarten sei nicht mehr zu verantworten gewesen. Hat die Ministerin also durch beherztes Eingreifen in letzter Minute eine Katastrophe abgewendet? Dem Genmais, der ein Bakteriengift bildet und dadurch gegen den gefräßigen Zünsler gewappnet ist, wurde in ungezählten Untersuchungen ökologische

Verträglichkeit bescheinigt. Stein des Anstoßes ist immer wieder das zusätzlich eingebaute Gen für eine Antibiotika-Resistenz. Auch wenn von ihm so gut wie keine Gefahr ausgehen dürfte, haben Wissenschaft und Industrie nicht zielstrebig genug auf einen Ersatz dieses psychologisch offenbar bedeutsamen Gens gesetzt. Was bleibt, ist ein kleiner Rest von Unsicherheit, der sich durch noch so gründliche Untersuchungen nie vollständig ausräumen lassen wird. Legte man solche Maßstäbe an Erdbeeren, Bananen oder Äpfel an, müssten diese wegen des Allergie-Risikos sofort verboten werden. Die Ministerin stützt ihre Entscheidung auf ein neues Gutachten, für das aber anscheinend keine neuen Experimente vorgenommen wurden. Das ständige Wiederkäuen von Fachpublikationen mag finanziell reizvoll sein - wissenschaftlich kommt dabei nichts mehr heraus. Leicht entsteht ein Brei, der sich fast nach Belieben formen lässt. Das Grün in der rot-grünen Politik ist zur Enttäuschung der Basis längst zum Grau vorkommen. Wenn man schon mit der bösen Kernenergie leben muss, will man wenigstens die dämonischen Gene auf dem Feld bannen - ein Bauernopfer. R.W.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.02.00

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