Warum wird die Milch teurer?

Passé sind die Zeiten der Milchseen - jetzt ist der Rohstoff knapp. Und was knapp ist, kostet mehr. Deshalb konnten die Molkereien in ihren jüngsten Vereinbarungen mit dem Lebensmittelhandel erheblich höhere Preise erzielen als während der vergangenen Jahre. Das wird jeder Milchkunde zu spüren bekommen. Noch ist nicht klar, wie der Lebensmittelhandel kalkuliert und ob die Preise in mehreren Stufen oder auf einmal angehoben werden. Monika Wohlfarth von der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle in Bonn, stellt sich die Entwicklung bei frischer Vollmilch so vor:

Wir gehen davon aus, dass die Milch dort, wo sie im Moment sehr preisgünstig ist - zum Beispiel für 99 Pfennig - um bis zu 20 Pfennig ansteigen kann, also dann auf 1,19 DM pro Liter.

Auch für fettarme Frischmilch wird der Preis um maximal 20 Pfennig erhöht. Die Käufer haltbarer Milch müssen künftig ebenfalls erheblich tiefer ins Porte-monnaie greifen.

Die fettarme Milch kostete im März im Durchschnitt 87 Pfennig. Da sind Preis-erhöhungen von 12-20 Pfennig auf der Ladenstufe zu erwarten.

Der Rohstoff Milch ist knapp, und dafür gibt es mehrere Ursachen. Die aktu-ellste nennt Eberhard Hetzner, Hauptgeschäftsführer beim Milchindustriever-band. Er vertritt die Interessen der Molkereien.

Der erste Grund ist der, dass infolge der BSE-Krise im Januar, Februar, März der Absatz von Käse stark zugenommen hat. Das heißt, es ist sehr viel Milch in den Käsebereich gelaufen, so dass in anderen Verwendungsbereichen eine gewisse Knappheit aufgetreten ist. Das ist ein Grund.

Ein weiterer Grund sind die gestiegenen Produktionskosten, die die Molkereien lange Zeit nicht umlegen konnten, erläutert Monika Wohlfarth.

Es ist so, dass in den vergangenen Monaten oder seit einem Jahr die Kosten für Verpackung und Logistik stark angestiegen sind. Und die Molkereien konnten diese Kostensteigerungen überhaupt nicht weiter geben, sondern mussten sie selbst tragen. Die Molkereien stellen eine breite Palette von Produkten norma-lerweise her. Und die Herstellung von Frischprodukten für die Endverbraucher war zum Teil ein Zuschussgeschäft.

Vor 1992 war die Situation noch anders. Damals kostete ein Liter Frischmilch im Karton rund 1,20 DM. Seitdem sind die Preise ständig gesunken, vor allem, weil die Molkereien untereinander um Lieferver-träge mit den Handelsunternehmen konkurrierten. Verdienen konnten sie schließlich nur noch am sogenannten "gelben" Sortiment, vor allem an der Käseherstellung. Deshalb stiegen einzelne Molkereien aus der unrentablen H-Milch-Produktion aus. Dieser Artikel wurde knapp. Während die Preise für Käse, Butter und Milchpulver kurzfristig getroffen werden, verein-bart der Handel für Milch, Sahne, Joghurt und Quark län-gerfristige Preisbindungen mit den Molkereien. Diese Verträge laufen jetzt aus. Die Milchbauern bekommen schon seit Mitte vergangenen Jahres 4 bis 5 Pfennig mehr für den Liter Rohmilch. Mit 58 bis 59 Pfennig - darauf weist der Deutsche Bauernverband hin - hat der neue Auszahlungspreis allerdings nur den niedrigen Erlös von 1999 kompensiert. An der neuen Preisrunde wollen die Landwirte mit weiteren 2 bis 3 Pfennig beteiligt werden. Milch im Billigangebot wird es künftig nicht mehr geben, meint Monika Wohlfarth von der ZMP.

Ich denke schon, dass Milch ein Lockvogelangebot war für den Verbraucher. Es ist so, dass frische Milch mehrmals die Woche eingekauft werden muss. Und das bringt für den Handel die Kunden in den Laden. Gleichzeitig wird eine ganze Reihe von anderen Produkten eingekauft, die nicht so stark in der Preisoptik stehen wie die Trinkmilch.

Die Preise für Milch werden in den kommenden Wochen wieder das Niveau von 1992 erreichen. Zum Vorteil der Erzeuger und Hersteller, aber auch zum Vorteil des Verbrauchers - das ist die Auffassung des Milchindustrieverbandes, sagt Eberhard Hetzner.

Hier ist jetzt endlich mal die Möglichkeit, aus diesem Stück, dass man zusätzlich einnehmen kann, die Innovation zu fördern, Produktentwicklung zu fördern, den Bauern einen angemessenen Preis zu bezahlen und den Kostenstau abzubauen, der sich über viele Jahre angesammelt hat.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2001

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