Zum Thema Fleisch- und Wurstwaren

Was ist Separatoren-Fleisch? Der F.A.Z.-Wirtschaftsteil hat schon 1976 darüber aufgeklärt und verlangt, daß es für menschlichen Verzehr nicht mehr verwendet werden darf. Selbst eine Kennzeichnungspflicht besteht noch immer nicht. Es geht dabei um die Verwendung von "Restfleisch". Damals schrieben wir:

... Dieses "Fleisch" besteht aus jenen Resten, die an den Knochen hängenbleiben, wenn die Schlachter die Knochen aus dem Fleisch herauslösen, wenn sie, wie es im Fachjargon heißt, das Fleisch "entbeinen". Es handelt sich um Fleischreste, Bindegewebe, Fettgewebe, Knorpel- und Knochenstückchen. Um auch dieses Restfleisch zu verwerten, ist ein Nachputzen der Knochen notwendig. Die abgeputzten "Teile" nennt man den "Knochenputz". Zugesetzt werden darf er nur der Einfachqualität von Koch- und Brühwurst, nicht höheren Wurstqualitäten und vor allem nicht dem Hackfleisch. Ein Zwang, den Zusatz kenntlich zu machen, besteht bisher nicht.
Inzwischen freilich ist die Gewinnung von Knochenputz, da manuell betrieben, wegen der hohen Arbeitslöhne unrentabel geworden. In den Handwerksbetrieben spielt der Knochenputz daher schon lange so gut wie keine Rolle mehr. Anders in der Fleischverarbeitungsindustrie. Hier werden Knochen und Restfleisch jetzt maschinell getrennt, und zwar mit sogenannten Separatoren. Man zerteilt die Knochen und steckt das Gemisch in eine Zentrifuge, die Weich- und Knochenteile durch Herausschleudern voneinander trennt. Das Ergebnis ist nicht mehr der "gute alte Knochenputz", sondern ein neues Erzeugnis: das Separatorenfleisch. Dabei werden nicht nur die üblichen Knochen durch den Separater geschickt, sondern auch ganze Rinderköpfe (einschließlich Maulschleimhäute und Nasenschleim), Rinderhälse, Schweineschwänze sowie Hühnergerippe mit Lungen- und Nierenresten.
Schon der herkömmliche Knochenputz enthält für den Verbraucher ein gesundheitliches Risiko, das über das übliche Risiko bei der Fleischbe- und Verarbeitung hinausgeht: Die starke Oberflächenvergrößerung macht den Knochenputz hygienisch sehr labil und führt zu hoher Keimanreicherung. Beim Separatorenfleisch ist die Keimanfälligkeit noch erheblich stärker.
(. . .) freilich, der Vorwurf, dem ahnungslosen Verbraucher "Knochen- wurst" vorzusetzen, hat die Fleischwarenindustrie nicht ruhen lassen. In neuen Verfahren werden die zerkleinerten Knochen mit "Weichmachern" vorbehandelt, zum Beispiel mit phosphathaltiger Salzlösung versetzt. Ähnliche Dienste leistet eine Nitrit-Pökelsalzlake. Der anschließende Schleudervorgang ergibt dann ein rosarotes "Fleischhomogenat", in der Konsistenz dünnflüssigem Honig vergleichbar. Wenigstens der Knochenabrieb läßt sich so vermindern. Aber der entscheidende Mangel, die (auch bei Kühlung) hohe Keimanfälligkeit mit dem Gesundheitsrisiko, bleibt. Und dieser Mangel wird verharmlost.
(. ..) Daß die Deklarationspflicht für Separatorenfleisch noch immer nicht als selbstverständlich gilt, ist erschreckend genug. Dabei wäre sie ohnehin nur die zweitbeste Lösung. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum das Separatorenfleisch unbedingt zur Wurstherstellung, ja, warum es zur menschlichen Ernährung überhaupt verwendet werden muß. Verkommen braucht es deswegen noch lange nicht. Auch Hunde- und Katzenfutter sind ein schöner Absatzmarkt. Deshalb sollte das Separatorenfleisch für die Verarbeitung von Fleisch zum menschlichen Verzehr verboten werden.
Bliebe das Separatorenfleisch als Lebensmittel dennoch zugelassen und würde es überdies keiner Deklarationspflicht unterworfen, ließe sich das Ergebnis leicht absehen: Wo Fleisch in größeren Mengen entbeint wird, drehen sich künftig nicht nur die Separatoren. Sie stehen dann nicht nur in der Fleischwarenindustrie, sondern auch bei den Versandschlachtereien, den Fleischgroßhändlern, den Fleischimporteuren und (teilweise) in der Feinkostindustrie. Unsere Nachbarländer werden sich die neue Marktchance nicht entgehen lassen und das Separatorenprodukt, in Blöcke gefroren, auf den deutschen Markt schaffen. Dazu ein altgedienter Fleischfachmann und Veterinär: "Da die Deutschen ein Volk von Brühwurstessern geworden sind, bleiben wir die Abnehmer und werden zu Restfleischverzehrern von dem Knochenabfall von halb Europa."

Auszug aus einem Leitartikel von Klaus Peter Krause vom 13. März 1976.

Aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Dezember 2000

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