Das Umweltbundesamt und das Umweltministerium

Das Umweltbundesamt ist, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt, eine dem Bundesumweltministerium nachgeordnete Behörde - untersteht also dem Bundesumweltminister, pocht aber selbst immer auf seine wissenschaftliche Unabhängigkeit. Und das durchaus mit Erfolg. Denn oft vertritt das Amt eine andere Meinung als die jeweilige Regierung. Die Aufgabe des UBA, so die gängige Abkürzung, ist es, das Bundesumweltministerium wissenschaftlich zu unterstützen bei allem, was Schadstoffausstoß, Abfall und Wasser sowie Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Umweltbelastungen betrifft. Auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gehört in den Untersuchungsbereich. Nur, was nutzen all die wissenschaftlichen Untersuchungen, wenn sie nicht zur Kenntnis genommen werden. Und genau das beklagt das Umweltbundesamt im Zusammenhang mit der Zulassung von Pestiziden. Es fühlt sich schlichtweg ausgebootet

Das Berliner Umweltbundesamt hält von einigen Pestiziden, die die Industrie gerne auf der Positivliste der EU sähe, überhaupt nichts, weil ihr Einsatz unvertretbare ökologische Risiken mit sich bringe. Ihre Bedenken behält die Fachbehörde von Bundesumweltminister Jürgen Trittin nicht für sich, im Gegenteil: Davon erfährt stets auch die Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel in Deutschland, die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig, kurz: BBA. Sie zählt zum Ressort von Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast.
Doch die beiden grünen Regierungsmitglieder liegen in dieser Sache heftig über Kreuz. Denn die Biologische Bundesanstalt ignoriert offenbar regelmäßig die Einwände ihrer Fachkollegen vom UBA in Berlin. In einem internen Vermerk des Umweltbundesamtes, der dem Deutschlandfunk vorliegt, heißt es wörtlich:
Trotz mehrfacher Anmahnungen im Rahmen von Behördengesprächen und durch den Bundesumweltminister ist es immer noch gängige Praxis, UBA-Kommentare ohne weitere Begründung n i c h t an die EU-Kommission und deren Arbeitsgruppen weiterzuleiten.
In der Aktennotiz wird als Beispiel der Wirkstoff "Azinphos-Methyl" genannt. In Deutschland ist das Insekten-Bekämpfungsmittel seit Jahren verboten. Es ist hochgiftig und tötet auch Nützlinge.
Gleichwohl könnte der Insekten-Killer ein Comeback erleben. Denn auch Altstoffe wie Azinphos-Methyl stehen in Brüssel nach einer EU-Richtlinie noch einmal auf dem Prüfstand. Fällt die Bewertung positiv aus, landet die Substanz im Anhang I der Richtlinie. Damit ist sie praktisch europaweit zulassungsfähig.

Im Fall von Azinphos-Methyl muss Deutschland berichterstatten und die Ergebnisse der Prüfung in einem Stoff-Report zusammenfassen, "Monographie" genannt. Mindestens achtmal hat das Umweltbundesamt in den letzten dreieinhalb Jahren Stellung zu dem Ackergift genommen. Und sich immer wieder gegen das Insektizid ausgesprochen. Genutzt hat es bis heute nichts, beklagt Trittins Fachbehörde. Das gelte auch für andere Wirkstoffe, die Deutschland federführend bearbeitet:
Die Stellungnahmen des Umweltbundesamtes werden seitens der Biologischen Bundesanstalt gar nicht oder erheblich modifiziert in die Monographien integriert. Die Bewertungen antragstellender Unternehmen werden dagegen unbeanstandet übernommen.
In Brüssel arbeiten Expertenkreise auch an einheitlichen Standards für die Bewertung und Zulassung von Pestiziden. Auch dafür, so heißt es in dem Vermerk, würden nur Mitarbeiter der BBA herangezogen.
... ohne dass das Umweltbundesamt als umweltwissenschaftliche Fachbehörde der Bundesregierung hierauf entscheidungs-erheblichen Einfluss nehmen könnte.
Im Klartext heißt das wohl: Bekannte ökologische Risiken von Substanzen wie Azinphos-Methyl werden ausgeklammert, die Umweltstandards heruntergeschraubt. Im Umweltbundesamt fürchtet man, dass dadurch noch ganz andere Altstoffe wieder salonfähig werden:
So wurden zum Beispiel für die Wirkstoffe ATRAZIN und FENTHION auf der Grundlage der gemeinschaftlichen Bewertungskonzepte Vorschläge für eine Aufnahme in Anhang I unterbreitet, ohne dass Deutschland diesem durch das federführende Ressort widersprochen hätte.
Beide Pestizid-Wirkstoffe sind in Deutschland verboten - "Atrazin" schon seit zehn Jahren. Es ist das Pflanzenschutzmittel, das sogar heute noch am häufigsten in Gewässern auftaucht. Und auch "Fenthion" hält das Umweltbundesamt für "besonders kritisch". Es zählt wie Azinphos-Methyl zur Gruppe der sogenannten Organophosphate. Von ihnen sagen Naturschutzverbände, sie müssten eigentlich schon längst weltweit geächtet sein - wegen ihrer hohen Giftigkeit. So können auch Vögel durch "Fenthion" zu Tode kommen.
Von der Hinhalte-Taktik der obersten deutschen Agrar-Beamten hat auch der Naturschutzbund Deutschland erfahren. Und sich gleich in einem Brief bei Verbraucherschutz-Ministerin Künast beschwert - über die, so wörtlich, "durch offensichtliche Tricks herbeigeführte Wiederzulassung [von Pestiziden] durch die Hintertür".
Das Verbraucherschutzministerium erklärte auf Anfrage, es nehme die Vorwürfe ernst und wolle ihnen auf jeden Fall nachgehen. Das sei ad hoc nicht möglich gewesen und benötige etwas Zeit. Außerdem sei es der feste politische Wille von Renate Künast, Pflanzenschutzmittel, die in Deutschland verboten sind, auch von der Positivliste der EU zu verbannen .

Aus dem Internetangebot des Deutschland Radios August 2001

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