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Deutschlandfunk: Umwelt und Landwirtschaft
Manuskript vom: 5.5.2003 * 16:35

Dänische Forschungen beweisen:
Verbot von Antibiotika als tierische Wachstumsförderer ist sinnvoll

Vier Antibiotika dürfen Tierzüchter in der EU derzeit noch als Leistungsförderer für ihr Vieh einsetzen. In drei Jahren soll damit endgültig Schluss sein. Dann will die EU-Kommission auch die letzten der antibakteriell wirkenden Substanzen aus dem Futter verbannen. Antibiotika sollen dann nur noch vom Tierarzt verschrieben werden, im wirklichen Bedarfsfall.

Das sei eine riskante Sache, sagen Kritiker der Brüsseler Pläne. Krankheitserreger in den Ställen könnten sich dadurch wieder stärker ausbreiten, argumentieren sie. Lebensmittel-Infektionen durch Salmonellen und andere Keime würden womöglich häufiger.

Doch offenbar ist genau das Gegenteil der Fall. Zu diesem Ergebnis kommen jetzt jedenfalls Wissenschaftler aus Dänemark in einer neuen Studie. Dort wurden antibiotische Leistungsförderer schon vor fünf Jahren aus dem Verkehr gezogen. Die Studien-Autoren verfolgten die Entwicklung seither. Unter ihnen Henrik Wegener, Professor für Lebensmittel-Sicherheit am nationalen Dänischen Veterinär-Institut in Kopenhagen:

Wir hatten Zugriff auf sämtliche Untersuchungsergebnisse in Dänemark. Das waren mehrere Millionen Einzeldaten. Sie zeigten uns, wie häufig Krankheits-Keime in den Jahren nach dem Verbot auftraten - nicht nur in Geflügel- und Schweine-Beständen, sondern auch in tierischen Produkten auf dem Markt. Außerdem haben wir die Fälle von Lebensmittel-Infektionen in der Bevölkerung verfolgt. Und das Ergebnis war: Die Keim-Zahlen haben nicht zugenommen, im Gegenteil: In den meisten Regionen gingen sie zurück.

Als typische Erreger schauten sich die dänischen Forscher neben Salmonellen auch Bakterien der Gattung Campylobacter an. Diese Krankheits-Keime sind zwar in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Tatsächlich aber machen sie Schweinen und Hühnern noch häufiger zu schaffen als Salmonellen.

Wie es scheint, profitierte keine der beiden Erreger-Sorten von dem rigorosen Leistungsförderer-Stopp in Dänemark - für Wegener eine beruhigende Nachricht:

Unsere Studie zeigt: Wenn man auf die antibiotischen Wachstumsförderer verzichtet, hat das keine negativen Folgen - nicht für die Tier-Produktion, nicht für die Tier-Gesundheit, und auch nicht für die Sicherheit von tierischen Lebensmitteln. Tatsächlich nimmt die Lebensmittel-Sicherheit sogar zu. Denn man sieht nun weniger Krankheitskeime, die sich an die Antibiotika gewöhnen und resistent dagegen werden. Das Verbot in Dänemark zeigt also keine der beschworenen Nebenwirkungen.

Frühere Untersuchungen über Leistungsförderer lieferten zum Teil widersprüchliche Ergebnisse. Manche schienen zu zeigen, dass Hühner mit ihrem Kot mehr Krankheitskeime ausscheiden, wenn sie keine Antibiotika im Futter hatten. Und dass dadurch Schlachtkörper leichter infiziert werden können. Keine der älteren Studien war jedoch auch nur annähernd so umfangreich, wie die jetzige aus Dänemark. Sie liefert zum ersten Mal ein Gesamtbild.

Dieses Bild habe nur einen kleinen Kratzer, räumt Lebensmittel-Wissenschaftler Wegener ein:

In einigen Ferkel-Beständen haben Durchfall-Erkrankungen nach dem Wegfall der Leistungsförderer zugenommen. Da muss dann der Tierarzt nach dem Rechten sehen. Aber das ist ja auch die Absicht des EU-Verbots: Statt Antibiotika breit zu streuen, sollen sie von Veterinären gezielt verschrieben werden, nach der Visite eines Bestandes. Die Hersteller der Mittel stellen das immer als Problem dar. Aber ich bin vollkommen anderer Meinung. Ich kann Brüssel nur empfehlen: Bleibt dabei! Verbietet die antibiotischen Leistungsförderer vollständig!

Die dänischen Forscher könnten sich, wenn sie wollten, auch auf andere skandinavische Länder berufen. Schweden, Finnland und Norwegen haben antibiotische Leistungsförderer ebenfalls schon vor Jahren aus den Futter-Trögen verbannt - und heute weniger Probleme mit Salmonellen und dergleichen als andere Länder in Europa.

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