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Deutschlandfunk: Umwelt und Landwirtschaft
Manuskript vom: 16.7.2003 • 16:35

Das Bördeprojekt in der Kölner Bucht

Es ist Erntezeit für die Landwirte in der Kölner Bucht. Reife Kornfelder
warten auf den Mähdrescher, und überall auf der weiten, ebenen Fläche sind
die Traktoren unterwegs. Am Ortsrand von Widdersdorf bei Köln gibt es nur
wenige Wiesen, denn der fruchtbare Lössboden bringt als Acker mehr Gewinn.
Getreide, Zuckerrüben, Gemüse und Kartoffeln gedeihen hervorragend, auch
wegen des milden Klimas. Die Kölner Bucht ist eine sogenannte
Bördelandschaft, also eine Tieflandsbucht mit besonders fruchtbarem Boden.
Und weil solche Bördelandschaften auch immer intensiv beackert werden,
finden seltene Tiere und Pflanzen hier nur einen sehr eingeschränkten
Lebensraum. Das will der Deutsche Bauernverband aber nun ändern - zumindest
startet er ein Modellprojekt in der Kölner Bucht. Hier sollen die
landwirtschaftlichen Flächen durch sechs Meter breite Randstreifen
aufgelockert werden. Auf solch einem Saum sähen die Landwirte dann
Ackerkräuter statt Getreide aus. Die Pflanzen sollen wiederum Insekten und
andere Tiere anlocken. Prof. Wolfgang Schumacher von der Uni Bonn begleitet
das Modellprojekt von der wissenschaftlichen Seite her:

Naturschutz in Bördelandschaften heißt zunächst einmal: Wir müssen möglichst
viel dafür tun, dass die spezifische Flora und Fauna der Bördelandschaft -
und das sind im wesentlichen licht- und wärmeliebende Arten unter der
Insektenwelt vor allen Dingen, aber auch hin bis zum Rebhuhn und Feldhasen
und dann auch zu anderen Vogelarten schließlich - wieder mehr
Lebensmöglichkeiten bekommen.


Roter Klatschmohn, gelber Hornklee, weiße Schafsgarbe und blaue Kornblumen
wiegen sich im Wind. Rund dreißig Pflanzensorten wurden gezählt, die Gräser
nicht mitgerechnet. Der aromatisch riechende Rheinfarn beispielsweise bietet
sechzig verschiedenen Insektenarten Nahrung und Lebensraum. Zwei Kilometer
der Ackerstreifen sind bei Köln-Widdersdorf schon angelegt. Im Herbst sollen
dann weitere sechs Kilometer hinzukommen. Für Wolfgang Schumacher aber immer
noch nicht genug:

Ideal wäre es, wenn wir im Laufe der Jahre vielleicht hundert bis
zweihundert Kilometer solcher Blühstreifen hinbekommen, die als Säume für
Flora und Fauna eine sehr große Bedeutung haben.


Aber nicht nur Flora und Fauna sollen von den Maßnahmen profitieren. Auch
die Landwirte, die in das Projekt eingebunden sind, sollen nicht leer
ausgehen. Sie werden finanziell entschädigt. Das Projekt wird von der
Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Weitere Projektpartner sind die
Landwirtschaftskammer Rheinland und der Rheinische Landwirtschafts-Verband.
Dessen Präsident, Friedhelm Decker, führt aus:

Das ist eben die Frage und Überlegung, im Zielort des Bördeprojektes zu
klären: Wie können wir Ausgleichsverpflichtungen, die ansonsten ganze Äcker
dauerhaft versiegeln, in anderer Form umsetzen: kulturverträglicher, für den
Bürger anschaulicher und für den Landwirt vom Umsetzen her verträglicher.


So ländlich Widdersdorf auch erscheint, liegt es doch im Ballungsraum Köln.
Am Horizont zeichnet sich der Kölner Fernmeldeturm ab, und das Rauschen der
nahe gelegenen Autobahn ist allgegenwärtig. Und die Stadt Köln und die
umliegenden Dörfer wachsen immer weiter. Umso kostbarer ist jedes Fleckchen,
das noch brach liegt. Dr. Joachim Bauer vom Kölner Amt für Landschaftspflege
und Grünflächen möchte die Ackerkräuter von ihrem Dasein als Randphänomen
langfristig befreien:

Nicht unbedingt an dem Standort hier, aber in dem Bereich, ja? Dass ein
gewisser Prozentsatz an Ackerflächen eben für solche Maßnahmen zur Verfügung
steht. Die können wandern, das muss nicht immer dieselbe Fläche sein, aber
der Prozentsatz muss da sein. Und dann ist die Langfristigkeit, da reden wir
über dreißig Jahre oder ähnliches, das muss gewährleistet sein.


Denn die blühenden Randstreifen schützen nicht nur die Artenvielfalt,
sondern sehen auch einfach schön aus. Eine Spaziergängerin aus Widdersdorf:

Ja, ich find das sehr schön hier, dass die das hier angelegt haben. Das
haben die eigentlich erst in diesem Jahr gemacht. Doch, sind auch Mohnblumen
da. Also, an manchen Tagen sind überhaupt keine Mohnblumen da und dann sind
wieder jede Menge. Das ist ganz eigenartig.

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