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Deutschlandfunk: Umwelt und Landwirtschaft
Manuskript vom: 18.3.2003 • 16:35

Frühlingserwachen

Ob Buchfink oder Buche, Schmetterling oder Frosch - wenn es um das Frühlingserwachen geht, dann unterliegen sie alle mehr oder weniger den selben Gesetzmäßigkeiten: es ist ein Wechselspiel innerer sowie äußerer Faktoren, das - jeweils individuell unterschiedlich ausgeprägt - die Aktivität von Fauna und Flora steuert. Dazu gehört zum Ersten das, was auch uns Menschen im Frühling endlich wieder das Gemüt erhellt. Michael Schmolz, Diplom-Biologe bei der Nabu-Naturschutzstation in Kranenburg am Niederrhein:

In der Regel wird das überwiegend durchs Licht gesteuert, und zwar erstaunlicherweise über die Dunkelheit. D.h., je länger oder je kürzer es denn dunkel ist, desto eher werden die Tiere dann aktiv oder die Pflanzen. Sie messen, wie lang es dunkel ist, und dann bestimmen sie: okay. Ab ner gewissen Länge der Dunkelheit kann ich eben loslegen mit meinem Programm, sozusagen mit meinem Erwachprogramm"

Dafür muss gar nicht einmal die Sonne scheinen, sondern es muss einfach nur länger hell sein als in den Wintermonaten. Bei manchen Tieren reicht unter Umständen sogar ein kleiner Lichtblitz, um ihr "verschlafenes" Winterprogramm zu stören. Viele Pflanzen hingegen schreckt das noch lange nicht auf; um zur Blüte kommen zu können, benötigen sie in den Wochen zuvor eine bestimmte relativ dunkle Zeitspanne. Kurze Phasen der Helligkeit stören dieses Programm nicht, so dass die Pflanze nicht vor ihrer eigentlichen Zeit das Wachstum startet und dabei Gefahr läuft, mitten im Winter gleich wieder zu verkümmern.

Neben dem Licht hat als zweiter Faktor natürlich die Temperatur ihren Einfluss aufs Frühlingsgeschehen. Dabei ist jedoch in vielen Fällen nicht nur ein gewisses Maß an Wärme notwendig, also Temperaturen über dem arteigenen Entwicklungsnullpunkt, sondern zuvor auch Kälte. Etliche Pflanzen sind auf ihre spezielle Kältetemperatursumme, eine bestimmte Anzahl von Tagen mit einer bestimmten Mindesttemperatur angewiesen; die brauchen sie, damit in ihnen ein Stoff abgebaut werden kann, der ihr Wachstum hemmt.

Und in der Erde? Dort hinein dringt kein Licht, und die Bodentemperatur ist oft niedriger als die Lufttemperatur:

"...da ist zum Teil natürlich auch die Wärme ausschlaggebend, wenn sich im Buchenwald der Boden stark erwärmt, dass eben das Licht noch runterkommt bis zum Boden, dann ist die Wärme sozusagen entscheidend, es kann zum Teil bis zu 40 Grad auf dem Boden dann werden, und dann kriegen die die Wärme mit, und dann sagen sie sich okay, jetzt können wir loslegen.

Die äußeren Faktoren wie Licht und Temperatur können allein aber noch nichts Sinnvolles bewirken; sie werden, so Michael Schmolz vom Nabu Kranenburg, von den jeweiligen Arten unterschiedlich umgesetzt; dieser Prozess wird von einer inneren Uhr gesteuert:

...die innere Uhr ist jeder Art typisch, die einen brauchen 16 Stunden Licht, die anderen brauchen 14 Stunden Licht, den anderen reichen10 Stunden Licht aus. Es ist für jede Art eben typisch, und deswegen kommt eben ein Lärchensporn früher als ein Hahnenfuß oder ne Rose oder sonst irgendwas.

Auch in der Tierwelt fällt der Einfluss der inneren Uhr sehr unterschiedlich aus. Richtige Winterschläfer, wie der Siebenschläfer etwa, erwachen in der Regel erst, wenn die Pausenuhr - ihre winterliche Auszeit - wirklich abgelaufen ist. Wer jedoch mehr eine Art Winterruhe pflegt - wie das Eichhörnchen z.B. - der wird auch schon mal zwischendurch von steigenden Temperaturen geweckt.

Fast ausschließlich nach der inneren Uhr richten die echten Zugvögel ihr Erscheinen aus, jene Vögel also, die uns - im Gegensatz zu den sogenannten Teilziehern - im Winter auf jeden Fall immer in Richtung Süden verlassen:

Also der Pirol, der zieht denn einfach im Januar im tropischen Afrika ab und spult sein Programm ab und kommt dann pünktlich zu Pfingsten bei uns an, deshalb heißt der Pirol auch Pfingstvogel.

Und egal, wie das Wetter dann zu Pfingsten ist: der Pirol bleibt hier - im Gegensatz zu manchen Teilziehern, die auf Kälteeinbrüche mit der Winterflucht reagieren:

Das ist bei den Gänsen z.B. der Fall, dass die dann einfach n paar Tausend Kilometer zurück fliegen, oder beim Zilp-Zalp und bei Bachstelzen, da kann es dann zu großen Konzentrationen kommen an Stellen, die eisfrei sind.

Ob der Zilpzalp dieses Jahr Glück hat mit dem Wetter, das wird sich zeigen. Jetzt ist er erst mal wieder da. Und wenn er's bis zur Ankunft der Gartengrasmücke - ziemlich exakt am 1. Mai - aushalten kann, dann ist für alle das Schlimmste überstanden.

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