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Deutschlandfunk: Umwelt und Landwirtschaft
Manuskript vom: 27.8.2003 • 16:35

Kampf gegen Maisschädling im Elsass

Es war ein Meer von Regenschirmen, das sich gestern Abend im elsässischen Hegenheim unweit des Flughafens Basel-Mulhouse, gebildet hatte. Rund 250 Anwohner und Naturschützer demonstrierten so symbolisch gegen die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers mit Hilfe von Insektiziden. Helikopter verteilen die Chemikalie über den Maisfeldern in einer 10-Kilometer-Zone. Vor gut zwei Wochen flogen die Hubschrauber ihren ersten Einsatz. Morgen sollen sie wieder in die Luft gehen. Für Philippe Lacoumette, Vorsitzender des Umweltverbandes Alsace Nature, ist diese Maßnahme völlig unangemessen:

Ich vergleiche das mit einem Bulldozer, der in ein Porzellangeschäft fährt, um eine Kakerlake zu töten. Man gibt 700 000 Euro aus, um Hubschrauber zu bezahlen, die eine Substanz verteilen, die Gift ist für Mensch und Umwelt. Das kann doch keine Lösung sein. Das ist das absolute Gegenteil von dem, was man nachhaltige Entwicklung nennt.

Für Umweltschützer und viele Anwohner sind diese Flüge das I-Tüpfelchen für ihre ohnehin schon belastete Umwelt: der Mais wird im Frühjahr mit Pestiziden besprüht, die Nitrat-Konzentration im Grundwasser steigt an. Für Marie-Lise Bötsch aus Hegenheim ist die Schmerzgrenze erreicht:

Am Samstagmorgen wurde die Gegend von Hegenheim mit Insektiziden besprüht. Als ich am frühen Nachmittag aus meinem Haus ging, verspürte ich sofort einen starken Brechreiz und Kopfschmerzen – wie ein schwerer Balken fühlte sich das an. Im ganzen Dorf roch es nach den Pestiziden. Noch immer habe ich leichte Kopf-Schmerzen. Wenn die Flüge weitergehen und ich wieder Probleme habe, wir nicht ordnungsgemäß informiert werden, dann gehe ich zum Arzt, lasse mir ein Attest ausstellen und gebe eine Anzeige wegen Vergiftung auf.

Dass etwas gegen den Maiswurzelbohrer getan werden muss, ist auch für die Umweltschützer klar. Das Insekt gilt in den USA als der gefährlichste Schädling für die Maiskulturen. Im Elsass, wo der Mais in Monokulturen angebaut wird, wäre seine Verbreitung katastrophal für die Landwirte. Philippe Lacoumette zu den Alternativen:

Um diese großflächige Besprühung zu verhindern, müssen wir genau wissen, wo das Insekt auftaucht. Das heißt, man muss in allen Feldern Fallen aufstellen, die den Maiswurzelbohrer anlocken. Dann kann man diese Felder gezielt behandeln. Man hat Fallen aufgestellt, aber nicht genug. Also hat man keine genauen Erkenntnisse und ist zu dieser Großaktion gezwungen, die sehr schlecht für die Umwelt ist.

Die Bauern selbst sehen die großflächige Bekämpfung des Insekts weniger problematisch als die Naturschützer. Jean-Louis Ebbi, Maisbauer in der betroffenen Region:

Die Maßnahmen sind unternommen worden von den französischen Behörden und da haben wir nicht viel zu sagen. Wir müssen das mitmachen, das akzeptieren. Die Leute sind gegen den Mais, aber der Mais bringt auch etwas Gutes: Ein Hektar Mais bringt mehr Sauerstoff als ein Hektar Wald.

Zumindest in den kommenden zwei Jahren wird in der betroffenen Region kein Mais mehr angebaut. Um dem Insekt die Nahrung zu entziehen, ordnete der französische Staat eine Rotation mit Weizen und Soja an, die auch von den Naturschützern begrüßt wird. Das einzige Problem: die Bauern erhalten für diese Getreidesorten wesentlich weniger Subventionen von der Europäischen Union als für den Mais und befürchten hohe Einbußen. Die könnten durch staatliche Hilfe ausgeglichen werden, falls die Region zum Katastrophengebiet erklärt wird. Darüber will der Prefekt heute mit den Bürgermeistern der Region beraten.

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