Deutschlandfunk - 29. September 2004 • 17:20
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21.9.2004

Innovatives Öko-Papier

Recycling ohne Wasser und mit wenig Energie
Von Michael Schlag

"Vermeiden, vermindern, verwerten" - diese Reihenfolge verlangt das Kreislaufwirtschaftsgesetz für den Umgang mit Abfall. Doch es gibt noch eine vierte Möglichkeit: Man kann ausgedientes Material einfach weiter benutzen, indem man ihm eine neue Funktion gibt. Bei manchen Papierprodukten ist diese Methode dem stofflichen Recycling weit überlegen, denn sie verbraucht kein Wasser und viel weniger Energie als die Herstellung von Recyclingpapier, für das Altpapier ja zunächst zu neuem Rohstoff verkocht wird. Zwei kleine Firmen in Berlin und Münster arbeiten nach dieser Idee. Umwelt-Institute bescheinigen den Produkten eine unschlagbar günstige Öko-Bilanz. Allerdings zählt das Öko-Argument kaum mehr beim Verkauf.

Papieranlieferung bei der Dämmstatt GmbH in Berlin. Das Altpapier läuft über ein Fließband, gute Qualitäten von weißem Papier, zum Beispiel einfach beschriftetes Geschäftspapier, werden aussortiert. Sie bringen als Altpapier einen guten Preis und sind noch zu schade für ein zweites Leben als Dämmstoff. Zu Papierflocken zerraspelt wird nur altes Zeitungspapier. Detlef Thömen von Dämmstatt:

Das zerkleinerte Papier fällt hier in die Mühle und beim Mahlprozess werden die Zuschlagstoffe, zum Beispiel Brandschutzmittel, beigegeben. Das Papier wird dann in der Mühle zerfasert, von der entstehenden Flocke wird anschließend die Luft abgesaugt und dann wird der Dämmstoff hoch geschickt zur Absack-Anlage und wird dort verpackt.

Das Umwandeln einer Zeitung zu federleichtem Zellulosedämmstoff geschieht trocken - das Verfahren verbraucht kein Wasser und auch beim Energiebedarf ist der Dämmstoff aus Altpapier konkurrenzlos. Die Herstellung von Steinwolle verbraucht pro Quadratmeter Dämmfläche sechs mal mehr, Polystyrol oder Kokosfasern 10 mal mehr Energie, so eine Rechnung des Umweltinstituts München.

Ganz ähnlich arbeitet die DRP GmbH in Münster, DRP steht für "Direkt Recyceltes Papier". Die Firma mit 11 Mitarbeitern sammelt alte Landkarten, Wandkalender, papierne Schnittmuster der Textilindustrie und gibt ihnen, neu gefaltet, ein zweites Leben als Briefumschläge, Notizblocks oder Einkaufstaschen. Geschäftsführer Olaf Hagedorn zur Ökobilanz:

Das bedeutet, dass wir gegenüber herkömmlichen Recyclingprodukten Wasser, Bindemittel, Frischfaser und Bleichmittel zu 100 Prozent einsparen und über 95 Prozent weniger Energie verbrauchen. Das heißt es sind die umweltfreundlichsten Produkte die es weltweit gibt.

Eine Stellungnahme des Öko-Instituts Freiburg bescheinigt der Firma, dass dieses Weiterverwenden im Vergleich zum Recycling vier Kubikmeter Wasser pro Tonne Papier einspart, außerdem Chemikalien vermeidet und kaum Müll verursacht. Beliebt sind die Briefumschläge aus alten Landkarten nicht nur bei Geografen, beim Vertrieb über das Internet konnte DRP im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 80 Prozent steigern. Allerdings sind die Kunden gar nicht speziell auf der Suche nach ökologischen Produkten. Olaf Hagedorn:

In erster Linie sind es ganz normale Kunden, die für fünf oder zehn Euro etwas bestellen und die unsere Sachen gut finden, weil sie auch so witzig sind. Unsere Produkte dürfen nicht teurer sein - was sie auch nicht sind - und wenn es dann noch ein Plus im Umweltbereich gibt, sagt jeder: O.K., warum soll ich das nicht machen.

Auch Dämmstatt in Berlin, die 20 Mitarbeiter beschäftigt und gerade eine europäische Zulassung für ihren Zellulosedämmstoff beantragt hat, setzt beim Verkauf nicht in erster Linie auf Öko-Argumente. Natürlich nennt man die günstige Öko-Bilanz, aber so Detlef Thömen:

Den Dämmstoff alleine als Öko-Produkt anzubieten reicht uns nicht aus. Denn die Leute, die Öko-Produkte beziehen wollen, sind als Kundenstamm zu klein. Also wir wollen das als ganz normalen Dämmstoff anbieten. Wenn wir auf Messen gehen, gehen wir auch nicht auf Öko-Messen, sondern wir gehen auf normale Baumessen, damit wir zeigen können: das ist ein normaler Baustoff, den eigentlich jeder einsetzen kann.

Rohstoff für solche Verfahren gäbe es genug. 10 bis 20 Prozent des Altpapiers in Deutschland hätte die notwendige Qualität, um daraus neue Produkte wie Briefumschläge oder Notizblöcke zu machen, schätzt das Öko-Institut Freiburg. Und auch Dämmstatt könnte noch viel mehr alte Zeitungen verwerten, doch der Anteil der Zelluloseflocken im Markt für Dämmstoffe ist noch gering.


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